Sechs größere Thüringer Städte bilden die sog. Perlenkette. Von Ost nach West sind das Gera, Weimar, Jena, Erfurt, Gotha und Eisenach. Gera ist die am wenigsten touristische Stadt der Perlenkette, und deshalb habe ich sie mir einmal angesehen. Der folgende Stadtrundgang ist knapp sieben Kilometer lang. Er führt vom Hauptbahnhof mit einigen Schlenkern zum Südbahnhof. Wegpunkte sind das Theater, der botanische Garten und der Dahliengarten.
Ein paar hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt ist das Theater. Eine güldene Göttin der
Wahrheit beschirmt das kaiserzeitliche Schauspielhaus. Neben dem Theater befindet sich ein Park namens Küchengarten, selbstverständlich mit Goethe-Ginkgo, und an ihn schließt sich westlich die ehemalige Orangerie an, die heute ein Kunstmuseum ist. Gera eignet sich
auch für einen Kurzurlaub mit Theaterbesuch. (Werbung in diesem Beitrag ist unbezahlt.)
Aus Gera stammte Otto Dix. Sein Geburtshaus hinter der Kirche im vornehmen Stadtteil Untermhaus unweit des Küchengartens beherbergt heute ein Otto-Dix-Museum, das aber gerade wegen der Vorbereitung einer neuen Ausstellung geschlossen war. Der Fluss ist die Weiße Elster.
Städtebaulich hatte Gera in den letzten Jahrhunderten beträchtlich zu struggeln, wie die Internetjugend sagt: Stadtbrände, Industrialisierung, Kriegsschäden, Deindustrialisierung. Das merkt man, wenn man vom Theater zum Markt läuft: Zweckbauten, Parkplätze, Unterführungen, Fernwärmeleitungen säumen und kreuzen den Weg. Dass Gera im 19. Jh. eine der reichsten deutschen Städte war, lässt sich nur hier und da erahnen.
Freunde des Bauhauses und seiner Plattenbau-Nachfolger werden in Gera jauchzen. So stehen in Gera einige Bauten von Thilo Schoder, und eine der DDR-Glasfassaden ist ähnlich bronzefarben verspiegelt wie jene des mittlerweile zerstörten Berliner Palastes der Republik. Gera soll sogar die Stadt mit den meisten Baudenkmälern des Bauhauses und des Modernen Bauens in Thüringen sein. Davon kann man sich bei Stadtführungen überzeugen.
Am Markt wiederum stehen Gebäude, von denen einige, etwa das Rathaus und die Apotheke, aus dem 16. und 17. Jh. stammen und mit farbigen Reliefs verziert sind. Der Rathausturm mit Aussichtsplattform in 34 Metern Höhe ist für Besucher geöffnet.
Oberhalb des Marktes befindet sich seit dem ausgehenden 19. Jh. der botanische Garten. Der ist zwar nur ¾ Hektar groß, zeigt aber die Pflanzenwelt Ostthüringens in mehreren Lebensräumen samt zweier Quellen und Teiche. Auf den Beeten wachsen etwa Wald-Frauenfarn, Dornige Hauhechel und Scharlach-Fuchsie, und in einem Kaltwasser-Aquarium wohnt die Quell-Blasenschnecke. Sogar Audio-Guides von Kindern für Kinder werden angeboten.
Auf dem Weg zum Dahliengarten setzt sich die wilde Architekturmischung fort. An einer Stelle gibt's eine mutmaßliche Fabrikantenvilla am Wald zu sehen.
Bei meinem Eintreffen im Dahliengarten klarte der Himmel vollends auf und die bunten Dahlienblüten leuchteten, dass es eine Art hatte. Tagpfauenaugen und mehrere Bienenarten ließen sich auf den großen Blüten nieder. Als der Dahliengarten 1928 angelegt wurde, war er weltweit der erste Schaugarten für Dahlien. Heute gibt es nur noch eine Thüringer Dahliengärtnerei: Die Gärtnerei Paul Panzer aus Bad Köstritz; sie gestaltet jedes Jahr den Geraer Dahliengarten.
Zurück in die Stadt geht es auf demselben Weg, auf dem wir gekommen sind. Um zum Südbahnhof zu gelangen, biegt man kurz nach der Elsterbrücke am bunten Haus, dem Comma-Club, rechts ab. Das Bahnhofsgebäude und die Bahnsteige sind wenige Meter entfernt.
Damit endet diese Tour. Grundsätzliches über Gera, Bauhaus und Dahlien erfährt man in den folgenden Büchern:
Wie es während der DDR in Gera aussah, zeigt der Bildband "Gera" von Angelika und Frank Schenke, Brockhaus 1987.
Eine ganz kurze Einführung ins Bauhaus hat Heinz Stade mit dem Bauhaus-Band der Westentaschenbibliothek im Rhino-Verlag vorgelegt.
Allerlei über Dahlien berichtet Anne-Sophie Panzer in "Dahlien. Ein Buch für Auge & Gaumen". Warum eigentlich für den Gaumen? Weil Dahlienknollen essbar sind. Selber habe ich sie aber noch nicht gekostet.
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