Der vermutlich älteste Baum Thüringens ist die tausendjährige Eiche in Nöbdenitz. Besucht man sie, kann man sich gleich noch mehr ansehen: das Naturschutzgebiet am Flüsschen Sprotte, Burg Posterstein und den vergessenen Schlosspark Tannenfeld. Diese Rundwanderung auf recht flachen Wegen ist neun Kilometer lang. Um auch die Zeugnisse des Uranbergbaus zu besuchen, lässt sie sich auf 17 km verlängern. Start und Ziel ist der Bahnhof Nöbdenitz.
Wie alt die Eiche in Nöbdenitz wirklich ist, lässt sich nicht genau bestimmen, und die Schätzungen gehen weit auseinander. Vielleicht ist sie 2000 Jahre alt und damit die älteste Stieleiche Europas, vielleicht ist sie auch nur 700 bis 800 Jahre alt, womit sie trotzdem eine der ältesten deutschen Eichen wäre. In einer Kirchenchronik des späten 16. Jh. wurde sie bereits als uralt beschrieben; darin heißt es, sie stamme noch aus heidnischer Zeit.
Die Eiche ist hohl und gespalten. Ihre Krone hat sie in einem Gewitter im Jahr 1819 eingebüßt, und seit einigen Jahren wird sie von zwei stählernen Masten gestützt. Mittlerweile hat sie einen neuen Stamm ausgetrieben, der wohl den Altstamm überleben wird. Unter der Eiche wurde im Jahr 1824 der Geheimrat, Minister und Diplomat Hans Wilhelm von Thümmel beigesetzt, der zu diesem Zweck das Grundstück mit der Eiche gekauft hatte. Der deshalb auch als Thümmel-Eiche bezeichnete Baum ist damit auch der einzige bekannte Grabbaum Deutschlands.
Unterhalb der Kirche beginnt ein Wanderweg, der am Fluss entlang nach Posterstein führt. Dabei fallen etwa die vielen Nistkästen am Wanderweg und das kleine Teehaus am Dorfteich auf. (Nicht im Bild.) Solcherlei verdankt Nöbdenitz seinem Ortsverschönerungsverein. An der Sprotte wohnen sogar Eisvögel, aber die haben sich nicht sehen lassen. - Nachdem man die A4 unterquert hat, sind es nur noch wenige hundert Meter bis zu den ersten Häusern von Posterstein, dem Dorf mit der gleichnamigen Burg.
Burg Posterstein ist eine kleine Höhenburg mit Ursprung im 12. Jh. Für sechs Euro (Stand 2024) kann man die Burg samt regionalgeschichtlichem Museum und Turm besichtigen. Ab und zu finden in ihr auch Veranstaltungen wie Lesungen und Ritterfeste statt. Nebenan im Herrenhaus befinden sich u.a. eine Ferienwohnung und ein Café. (Werbung in diesem Beitrag ist unbezahlt.)
Unterhalb der Burg gibt es im Dorf hübsches Fachwerk zu sehen, u.a. ein Umgebindehaus, in dem man auch übernachten kann. An der Waschbärbank neben dem ehemaligen Bahnwärterhaus am nördlichen Ortsrand heißt es mit gebotener Obacht die Bahnschienen überqueren, um sodann abermals die A4 zu unterqueren. Danach steht man auf einem Feldweg und sieht auf einer nahen Anhöhe ein Wäldchen, aus dem ein herrschaftliches Gebäude hervorlugt. Dabei handelt es sich um Schloss und Park Tannenfeld, unser nächstes Wanderziel.
Ab 1795 ließ Anna Dorothea von Kurland Schloss Tannenfeld errichten und den angrenzenden 15 ha großen Park anlegen. In diesem Schloss hielt sie Salons mit allerlei Intellektuellen ab, zu denen der oben erwähnte Freiherr von Thümmel, Jean Paul und Friedrich Arnold Brockhaus gehörten. Und natürlich Goethe und Schiller. Die sind extra aus dem Westen hergezogen.
Ab 1899 befand sich im Schloss eine Nervenheilanstalt, deren bekanntester Patient Hans Fallada war. Aus dieser Zeit stammen mehrere Villen im Park, ein Wasserturm und zwei verfallende Liegehallen. Seit 2004 steht das Schloss leer. Seit 2017 gehören Schloss und Park einer Investorengruppe, die dort angeblich ein Pflegeheim für Demenzkranke aufbauen will. Augenscheinlich hat sich seitdem wenig getan; die meisten Gebäude sehen baufällig aus, der Schlossteich ist verschlammt und die Tore des Parks hängen schief in den Angeln. Wer sich ein bisschen mit dem Treiben von Investoren im Osten befasst hat, der mag an Häuser wie das Schloss Reinhardsbrunn denken, das schließlich nur noch durch Enteignung vor dem Verfall gerettet werden konnte.
Unbeeindruckt von ihren wechselnden Besitzern stehen die alten Bäume des Parks, von denen einige zu hierzulande eher seltenen Arten wie Mammutbaum und Ginkgo gehören. Im Frühjahr sind die Wiesen bedeckt von blühenden Krokussen, Narzissen und Märzenbechern; danach blühen bis in den Frühsommer viele große Rhododendren und Azaleen.
Wer die Tour um ein paar Kilometer verlängern möchte, kann, statt direkt zum Bahnhof Nöbdenitz zu laufen, sich nach Norden gen Löbichau wenden. Am nördlichen Ortsrand stehen ein historischer Uran-Förderturm auf inzwischem renaturiertem Gelände sowie das Großbild "Die friedliche Nutzung der Atomenergie". Werner Petzold hat dieses Gemälde im Format 16 x 12 m von 1972 bis 1974 als Wandbild für ein Verwaltungegebäude der Wismut geschaffen. Nachdem sich Petzold 1983 in die BRD abgesetzt hatte, hat er Altarbilder und Kirchenfenster gemalt.
In Löbichau ist das Schloss erhalten, in dem Anna Dorothea von Kurland für gewöhnlich wohnte. Tannenfeld war ihr Wochenendhaus. Im Löbichauer Schloss befindet sich heute u.a. ein Altenheim. Ein paar Meter weiter kann man sich in der Bäckerei Reichardt mit Proviant eindecken, um sodann durch Groß- und Kleinstechau zum Bahnhof Nöbdenitz zurückzuwandern.
Zur Vor- und Nachbereitung dieser Wanderung folgen wieder zwei Buchempfehlungen.
Werner Petzolds Wismut-Gemälde ist eines der bekanntesten Großkunstwerke der DDR. Dieses und viele weitere Beispiele für Architektur und Kunst am Bau thematisiert der Bildband "Ost Places. Vom Verschwinden und Wiederfinden der DDR".
Bekannt ist die Altenburger Gegend für Köstlichkeiten wie den Altenburger Ziegenkäse und Safran. Was dort sonst noch verputzt wird, erfährt man im Kochbuch "Die Küche des Altenburger Landes".
Vorab gibt es hier schon mal drei Rezepte für Mutzbraten und Huckelkuchen sowie überbackene Ziegenkäsebemme.
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