Herbst in Jena: Perückensträucher, Napoleonstein, Landgrafen


 

 

 

 

 

 

 

 

Jena ist umgeben von Muschelkalkbergen, über die viele Wanderwege führen. Dort zu wandern lohnt sich der Aussicht und der Vegetation wegen. So wachsen dort die in südlicheren Gefilden beheimateten Perückensträucher. Im Herbst färbt sich ihr Laub tiefrot, weshalb sie ein beliebtes Ausflugsziel und Fotomotiv sind.

Diese neun Kilometer lange Rundwanderung verbindet einen Besuch bei den Perückensträuchern mit einem Schauplatz der Napoleonischen Kriege und einem Bummel durch die Jenaer Innenstadt.

Augangs- und Endpunkt der Wanderung ist der Bahnhof Jena West. Von dort geht es als Erstes durch ein Villenviertel. Aufgrund der Zeiss-Werke und der örtlichen Uni gibt es in Jena schon lange eine Villen-Klientel. 


 

 

 

 

 

 

 

 

Der Einstieg in die bewaldeten und bestrauchten Hänge befindet sich hinter dem Brauereigasthof Papiermühle. Wer die Strecke verkürzen möchte, kann mit dem Bus bis zur Haltestelle Jena Mühltal fahren. Sie befindet sich neben dem Gasthof.



 

 

 

 

 

 

 

Der steile Weg aus dem Talkessel führt erst durch ein Wäldchen und schlängelt sich dann zwischen den bunten Sträuchern den Berg hoch. Schwindelfrei muss man dafür nicht sein, aber Höhenangst sollte man besser nicht haben.




 

 

 

 

 

 

 

Der obere Waldrand grenzt an eine Hochebene, die im Jahr 1806 zu den Schlachtfeldern von Jena und Auerstedt gehörte. Französische Truppen unter Befehl Napoleons haben dort die preußisch-sächsischen Armeen besiegt. 


 

 

 

 

 

 

 

 

Wenige hundert Meter entfernt ist der Ortsrand von Cospeda. Das erste Haus, an dem wir vorbeikommen, ist ein kleines Museum zu dieser Doppelschlacht. Begonnen hat die in diesem Museum ausgestellte Sammlung im frühen 20. Jh. der Gastwirt Walter Lange, der als Napoleon-Double auftrat. Neben Waffen, Uniformen und Dioramen werden auch ca. fünf Haare von Napoleons Haupt gezeigt, die dessen geschäftstüchtiger Kammerdiener verkauft hat. (Wer die Haare, zu einem Ringlein gebunden und gerahmt, sehen möchte, muss selber hingehen. Fotografieren ist im Museum nicht gestattet. Und Werbung in diesem Beitrag ist unbezahlt.)



 

 

 

 

 

 

 

Am Museum beginnt der Napoleon-Wanderweg, der auf den einen Kilometer entfernten Windknollen führt. Die offene Hochfläche mit Prärieklima ist ein Naturschutzgebiet, in dem u.a. die im Osten sprichwörtlichen Wendehälse wohnen. Über die Naturräume um Jena informiert die Seite natura jenensis, auf der man sich auch eine App mit Audioguide und Augmented Reality herunterladen kann. Dabei begleitet einen der Schlaue Ux, der sich auf dem folgenden Foto als Napoleon verkleidet hat.





 

 

 

 

 

 

 

Bei klarer Luft hat man vom Windknollen aus einen hübschen Ausblick auf Jena, wie auf der folgenden Infotafel zu sehen ist. Das hat schon Napoleon bemerkt, der von dort oben die Stellungen seiner Gegner begutachtet hat. Daran erinnert der Napoleonstein – vielleicht ein Zeugnis jener Haltung, über die Golo Mann schrieb: "Den Franzosen galt der Kaiser am Ende als der Besiegte – in glorreicher, jedoch abgetaner Stellung. In Deutschland labte man sich an größerem Hasse wie an heißerer Bewunderung Napoleons ein gutes Jahrhundert lang."



 

 

 

 

 

 

 

 

Von nun an geht es bergab. Der Wanderweg in Richtung Landgrafen führt am Blinkerdenkmal von 1921 vorbei, das an Signaleinheiten aus dem Ersten Weltkrieg erinnert, die auf den Bergen um Jena geschult wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ die Alliierte Militärverwaltung Stahlhelm, Eisernes Kreuz und die Aufschrift "Unseren Helden" vom Denkmal entfernen. Der verbliebene Steinklotz wurde 2021 restauriert und ist nun etwas verhaltener "den Gefallenen" gewidmet.




 

 

 

 

 

 

 

Der Landgrafen ist eine Anhöhe etwas unterhalb des Windknollens, an deren Rand sich eine Gaststätte mit Blick auf Jena befindet. Ein paar Meter entfernt steht ein Aussichtsturm, der aber gerade geschlossen war, als ich an ihm vorbeikam.



 

 

 

 

 

 

 

Auf dem steilen Landgrafenstieg geht es hinab in die Jenaer Innenstadt, in der Reste der mittelalterlichen Stadtmauer neben Bürgerhäusern aus dem 18. Jh., Unigebäuden und botanischem Garten stehen. Alles überragt der Jentower, der bei seiner Einweihung im Jahr 1972 das höchste deutsche Hochhaus gewesen sein soll. Übrigens sagt kaum jemand der Einheimischen "Jentower", und auch die Bezeichnung "Keksrolle" wird eher von Stadtführern gegenüber Touristen verwendet. Für gewöhnlich heißt der Turm Turm.




 

 

 

 

 

 

 

Der Weg zum Bahnhof ist in der Innenstadt ausgeschildert. Ein kleiner Schlenker über den Markt führt an Stadtmuseum, Kunstsammlungen und Touristinformation entlang. In der Letztgenannten werden neben den üblichen Broschüren und Andenken auch regionales Naschwerk, Limonaden und Seifen und dergleichen verkauft.



 

 

 

 

 

 

 

Zum Schluss wieder zwei Büchertipps; erstens ein Buch über Gastwirt Lange, den Napoleon von Cospeda. Zweitens soll nach einem Ausflug mit so viel Militärgeschichte etwas Bekömmlicheres nicht fehlen. Thüringen ist kulinarisch besonders für Roster und Klöße bekannt (die übrigens niemals zusammen serviert werden), aber genauso wird dort die Kuchenkultur gepflegt. Bewährte Rezepte für echte Thüringer Blechkuchen hat Gudrun Dietze in mehreren Büchern gesammelt, z.B. in "Thüringer Festtagskuchen".

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